Eine Freundin und ich unterhalten uns darüber, ob es einfacher wäre, eine einzige stark ausgeprägte Begabung zu haben und dahinter nur schwach oder kaum ausgeprägte Talente, die eindeutig zurückfallen und nicht vertiefenswert erscheinen. Die Idee, beispielsweise Cello spielen zu können und das richtig gut. Daneben aber ein miserabler Gastgeber, eine untermittelmäßige Gärtnerin, ein unmotivierter Freizeitsportler und eine lausige Programmiererin zu sein. Es bliebe einem nichts anderes übrig, als Tag und Nacht Cello zu spielen.

Der Gedanke, in irgendetwas sehr gut zu sein, birgt das Versprechen, sich dann auch sehr gut zu fühlen. Während der Ausblick, vieles mittelgut zu können und parallel zu bedienen, mittelmäßige Gefühle hervorruft.

Um mich in meinen vielen halbausgebauten und weit gestreuten Talenten zu genießen, muss ich daher gelegentlich den Wunsch nach Spitzenleistung verabschieden. Ungefähr alle 14 Tage.
Ich bin bereits einigermaßen routiniert darin, meine Mittelmäßigkeit zu feiern und könnte mir vorstellen, darin richtig gut zu werden. Dann wäre das mein Cello und ich hätte es doch noch zu etwas Außerordentlichem gebracht.

Nachts stehen jetzt wieder häufig Tiere in dem kurvigen Wald auf der Straße und funkeln mit ihren Augen in mein Scheinwerferlicht. Füchse, Rehe und wieselartige Nager. Ich schleiche im 2. Gang an ihnen vorbei und sage: Ihr seid so schön! Ihr seid die eigentlichen Bewohner dieser Welt. Und wir sind nur Müll.

Ein bisschen Menschenhass. Muss auch mal sein. Man kann nicht immer liebevolle Gefühle hegen.

In der Institution läuft es unauffällig. Im zweiten Job läuft es auch. Am besten läuft es am Wochenende in den Bergen. Einmal gehen wir in Kälte und Nebel rauf, einmal in dünnem Sonnenlicht, es werden Pläne für Zimtschnecken gemacht und Dinge besprochen, für die man weit weg sein muss von Zuhause.