Die Septembersonne ist dünn und weiß, aber noch gut genug, um morgens im Pyjama darin nicht zu frieren. Ich wache zu früh auf und sehe durchs Fenster die Straße runter. Die Milane kreisen geräuschlos übers Feld, kein Laut stört das Blau hinter den Birken.

In der Nacht zuvor sitzt Stella vor dem Eingang des Clubs. Die Keramikschale mit den Lotusblüten an uns weiterreichend. Sie macht das instinktsicher und symbolstark; Blickkontakt aufnehmen, Behausung werden für zufällig Anwesende. Der neue Freund von Thula ist da, der Spanier und ich; alle aus der einen Schale trinkend, jeder auf seine Art aufgeschürft von der Woche, aber nicht allein. Zumindest das. Vor allem das.

Ich glaube daran. Ich glaube an einen Altar, ein Gefühl, einen Tisch im Angesicht meiner Feinde, die Stunde, in der zusammengenäht wird, was zerrissen ist. Ich frage mich, ob Stella weiß, dass sie das tut, dass sie es ist; die Sammelstelle. Später küsse ich sie, auf die Wange, auf die Schulter, nach dem Tanzen, als sie ganz verschwitzt ist und Thula, ihr Freund, der Spanier und ich eine Spirale werden, ein Sog, in den immer mehr Leute hineingeraten.

Ich seh dir gern zu wenn du tanzt, sagt ein Mann in einem dunkelblauen, engen Kleid. Ich sehe dich auch, antworte ich ihm.

Die Septembersonne weiterhin bleich, ich wechsel vom Pyjama in Hose und Turnschuhe und gehe raus. Die Milane kreisen noch immer in der Luft. Es ist kein Tag der Heiterkeit. Ich bin sehr hoch geflogen, den Bewohnern des Aethers nah, ich war eine von ihnen, Milan, Libelle und Echo - mein fliegender Teppich tragend und weich. Die Landung jetzt, diese elend lange Landung, mein ungläubiges Anstarren der abgeschmierten Einzelteile. Ich weiß nicht, wie ich Vergleichbares früher geschafft habe. Vermutlich habe ich es gar nicht geschafft.

Am Abend bin ich wieder unterwegs, es wird spät und später, wir hocken auf dem Asphalt unter dem nur noch eine Nacht entfernten Blutmond. Du solltest nicht mehr nach Hause fahren, sagt der Freund mit den blauen Augen, manövriert mich durch die unbeleuchteten Hinterhöfe, zieht in seiner Unterkunft das zweite Bettzeug aus dem Schrank und macht Platz, damit ich an seiner Seite schlafen kann.

Am Morgen strömt kalte Luft ins Zimmer und Kaffeegeruch, der Freund redet leise, fürsorgliche Worte, bis ich wach bin und ein Müsli im Magen habe. Wir verlassen das Airbnb, bringen den Müll weg und gehen an der Tankstelle entlang zum Bus. Ich bin zu müde zum Sprechen. Aber ich kann tief atmen und meiner Nüchternheit in diesen Tag hinein folgen. Manchmal ist an den unwahrscheinlichsten Orten in dem unwahrscheinlichsten neongelben Tankstellenlicht doch eine Minute Frieden möglich und ich streite nicht mehr. Nicht mit mir und nicht mit dir, Realität.

In der Fortbildung dann Limiterfahrungen. Diesmal nicht meine. Ich bin lediglich dabei, während andere zu der Grenze gehen, an der sie immer stehen bleiben. Und dann einen Schritt weiter.

An dem Montag zuvor im Besprechungszimmer eines Jugendamtes in einer anderen Stadt, wo nach sechsmonatigem Emailverkehr und dürftigem Informationsfluss zwei Pädagoginnen den Bergfreund und mich prüfen und befragen, uns schließlich zunicken und das Mädchen für gelegentliche Ausflüge anvertrauen. Das Kind dann, am nächsten Tag im Wildpark, so zerschossen und lost…

Im Notizbuch mehrmals in diesen Wochen alles durchgestrichen. Seitenweise nur Zeichnungen und Zeichen, griechische Mythologie und im violetten Licht der Dancefloors empfangene Botschaften, die in keiner Gewissheit unterzubringen sind.

Once there was an echo.
It was in the sky. At night, the stars surrounded it.
It was pure, old and very very young.
When it flew through the air it was dancing.
Sometimes it fell in love; with a thing, a poem, a human.
And it danced with its love.

But things get lost,
poems become dry
and humans vanish.
The echo knew.
It danced with its love.