Ozeane
Warme Oktoberluft im Hof der ehemaligen Seifensiederei, wo ich an diesem Vormittag sitze, Espresso bestelle, Tasse um Tasse, zittrig werde, fahrig, ein schöner Zustand, nah dran an Verantwortungslosigkeit.
In der Ferne die Flanken der Berge und Licht auf ihren strohgelben Rücken.
Ein Freund sagt, ich soll Drogen nehmen, mir sei nur noch mit Substanzen zu helfen, mit Exzess. Einen neuronalen reset nennt er das, vierzehn Tage das Adrenalin an die Decke fahren, direkt vor den Boxen tanzen, in fremden Wohnungen aufwachen, Termine vergessen, beruflichen Erfolg zunichte machen, in jedem Moment das Gegenteil des Bisherigen tun. Die Kerbe muss tief genug sein, die neuen Informationen den alten überlegen an Intensität und impact – du wirst sehen, sagt er, danach ist es ganz still in dir.
Ich gehe rein an die Theke, frage nach Bohne und Röstung und kaufe den Espresso in der 1Kg Packung. Für mehr Exzess reicht es nicht. Ich muss noch eine Weile sein, die ich bin. Einigermaßen intakt zu Ende bringen, was ich begonnen habe, fühlen, was es zu fühlen gibt, und wissen, was ich wissen kann. Darauf warten, dass der reset von selbst eintritt, graduell.
Adaption.
Ich sehne sie herbei.
Wenn sie doch schon da wäre.
Filling the tragic gap with pure presence.
Often in the presence of nothing.
Or even death.
Don’t give in.
Only lovers left alive.
Der Blutstrom ist ein Gedicht, stillen kann man ihn nicht.
Die Frau hinter der Theke kassiert geduldig, ihre Wimpern über den Wangen herbstlich und ruhig. Ich wundere mich wieder, hier gelandet zu sein, zu leben auf diesem Fleck Erde zwischen Kiesbänken, Fluss und Kalkgestein. Besonders an den halbsonnigen Tagen, wenn Licht zurückprallt von den Hauswänden, die Saison um ist und kein eindeutiges Wetter zu eindeutigem Verhalten anregt.
Wenn ich der Windbewegung in den Birken zusehe, blaue Seidenbänder um meine Handgelenke binde und zurückflute in die Nacht, aus der ich gekommen bin.
Das Geflecht der Freundschaften trägt weiterhin. Die über Jahrzehnte gewachsenen Beziehungen, die wenige Tage alten Beziehungen. Wo nehmen all diese Leute all ihre Liebe her? Warum verschenken sie, was sie in sich tragen, so hemmungslos an mich? Warum fürchten sie nicht, durch das Gespräch, den Blickkontakt, den Kuss, die auf mich gelenkte Aufmerksamkeit, ärmer zu werden, nicht mehr genug zu haben für sich selbst und den Rest der gewählten Familie.
Diese eine unendliche Ressource.
Das Flimmern der Unendlichkeit.
Mich verschwenden an das hier…not to spare myself….Für eine Stunde oder eine Minute bin ich ganz, und es ist nichts mehr kaputt.
Dann brettert der Verlust wieder rein. Meine Hilflosigkeit damit. Die fassungslose Traurigkeit darüber. Und ich muss nachts im Wald rechts ranfahren. Auf das Lenkrad hauen. Den Kopf darauf ablegen. This is so fucked up.
Fucked up tremendously.
Die Realität verspricht nicht mehr, als sie ist. Sie ist der Boden, die finale Umarmung.
This is the one thing you can trust.
Reality will always be there for you.
Ich weiß nicht, wie ich damit fertig werden soll.
Ablenkung. Arbeit in der Institution und Arbeit in der Praxis. Es fängt an zu regnen und hört lange nicht auf. In der Nachbarschaft geht es um Feuerholz, Baumschneider, feuchte Keller, frühe Dunkelheit und mit Vermietern zu besprechende widrige Angelegenheiten. Mir ist das alles recht. Die Finsternis kann kommen.
Meine Definition von Leistung noch mal überdacht. Nach mehreren Korrekturschleifen durch die Gedanken des Bergfreundes, durch den simplen Satz aus seinem Mund. Manche Menschen haben eine so ungeheuer gesunde Einstellung zur Arbeit. Ich wäre aufgeschmissen ohne ihr konstantes Feedback. Jede ambitionierte Person sollte regelmäßig unambitionierte Personen treffen. Sich von denen den Kopf waschen lassen.
Anfang des Jahres hatte ich das genauso gesagt. Dass ich ein neues Kapitel aufschlagen möchte. Mich genießen will, während ich arbeite. Mich verabschieden will von Haltungen, die ich in schwierigen Zeiten unter schwierigen Bedingungen entwickelt habe. Eine Utopie.
Trotzdem ist ein Teil davon Wirklichkeit geworden.
Dann folgt eine Nacht wie ein Ozean. Das Leuchten der Tiefsee, von weit her hallendes Echo, näher kommend, näher kommend, meine Haut streift die Haut der Meerjungfrau. Der Kreis, der uns ineinander dreht, sie und mich, so fluide, fest und sicher. Die Gesichter der anderen, ihre Arme und Rücken, Stellas Bauchnabel, die klebenden Haare im Nacken verschiedener Menschen, von denen manche nach Lavendel riechen, manche nach Lagune und Salz. Wir bleiben bis 2 Uhr morgens zusammen. Ich schwimme mit der Walfischherde.
Wie sehr ich das Schmelzen gefürchtet habe, flüssig zu werden, berührbar zu sein. Wie unsexy der Aufbau meiner Grenzen war, mein Zentrum zu halten, komme was wolle, den Kern nicht mehr preis zu geben, das tägliche Training für tägliche Klarheit. Wenn ich gewusst hätte worauf es hinausläuft, wovon meine Lehrer gesprochen haben – ich wäre heiterer darauf zugegangen.
Ich glaube, dass ich heute alles sein kann – Nixe, Walfisch, ein Vogel, ein Ton, weil in mir unverbrüchlich geworden ist, wie Verbindung mit mir geht.
You grieve because of a change you didn’t want.
It is about the arrival of a reality and future you cannot accept.
You start the fight, the bargaining, denial, the rage and tantrums, because it feels unbearable and it is. It is not bearable yet.
You will use your emotional and cognitive muscels to change what little remains for you to change. What you still can control.
Time goes by. Your strategies fail.
Then you face the final wall.
The entrance closed.
No one there.
Now you grieve.
Pray that people have mercy on you.
That you don’t have to go through it alone.
You’re going to morph in shape and being.
Instead of realitiy shifting toward you, you will shift toward reality. And hate every minute of it.
You may come out of this in a resignated state of heart and mind.
You may come out loving even more.