August
An einem schwülen Freitagnachmittag finde ich mich auf dem Sofa ruhend, während eine Freundin Avocado, Koriander und Karottenstreifen zu Sommerrollen wickelt, Sesam einstreut, gebratenes Ei, das Reispapier unter ihren Händen faltet und legt.
Regen war angekündigt, er kommt aber nicht, wir sitzen mit einem kleinen Pulk Freunden in der Wohnung, verspeisen drei Gänge, kleckern mit dem sofort schmelzenden Eis, durch die geöffneten Fenster dringt kein Luftzug. Stehende, unbewegte Wärme, ein rares Phänomen so nah an den Bergen, der dicke unentschlossene Horizont über uns harrt aus. In der Dämmerung später stehen drei der Freunde auf dem Balkon an das Holz gelehnt, mit ihren nackten Füßen sich die Waden kratzend, Stand- und Spielbein wechselnd, verschollen in einer Unterhaltung, der ich akustisch nicht folgen kann - der Bewegung ihrer Lippen aber; so tagesmüde und vertraut.
Am Samstag schließlich kommt der Regen, kurz bevor es dunkel wird, gerade hernieder prasselnd, ohne Wind und Dynamik, in vertikalen Linien von oben nach unten, ich bin das nicht mehr gewohnt nach den vielen Stürmen in diesem Jahr.
Augustmond. Gegen 1 Uhr nachts werde ich wach und bin irritiert über die Helligkeit im Zimmer. Seine milchig gelbe Aura bescheint die umliegenden Wolken, er wirkt groß, die dunklen Tiefebenen der Krater klar abgegrenzt von den höheren Flächen. Ich wünschte, er wäre anfassbar und ich könnte meine Hand auf seine vernarbte Haut legen. Aber auch die Astronauten haben ihn nicht direkt, ohne Handschuhe, berührt. Es gab keinen textilfreien Kontakt zwischen den Menschen und ihm.
Nils Frahm: The whole universe wants to be touched
Wegen der geringeren Schwerkraft wiegen wir auf dem Mond nur 1/6 unseres irdischen Eigengewichts. Wir können auch sechs mal höher springen. Dafür laufen wir sechs mal langsamer. Langsam laufen. Etwas daran ist so faszinierend. Zum aus der Haut fahren. Und parallel zum wirklich drin sein, in der Haut und in den Gefühlen. Die Ärztin sagt, ich darf frühestens in zwei bis vier Wochen mit dem Tanzen anfangen; ich soll es langsam und behutsam tun, viele Pausen einlegen, nicht in die Vollbelastung gehen, keine Sprünge, keine Verdrehungen und erst ab Oktober mit physiotherapeutischer Unterstützung in das reguläre Training einsteigen, falls keine Schmerzen auftauchen. Während ich mental zu allem Ja sage und es absolut vernünftig finde, so vorzugehen, muss ich emotional ziemlich schlucken. Bis in den Winter all der Bewegung in mir nicht ungehindert nachgeben zu können, setzt mir ganz schön zu.
Mein Radius ist eingeschränkt und wird es vorläufig bleiben. Dieser Kontrollverlust zieht Kreise. Er nagt sich durch meine Bilder, meine Lust, meine Kompetenzen und mein Sicherungssystem. Daneben gibt es Momente, in denen ich ahne, wie ich auf der anderen Seite dieser Angelegenheit, dieser Affäre, herauskommen könnte, wenn ich es schaffe, sie zu einer Liebesaffäre mit mir zu machen. Ich könnte weich sein, eine Wasserpflanze, Nixe, mitschwimmen, mit dem Strom, ich könnte dem Leben gehören, anstatt das Leben mir.