die alten Häuser verraten
Am Mittwochabend laufe ich am Feierabendverkehr entlang Richtung Isartor. Drei der anderen Zenschüler sind an der Kreuzung noch zum Italiener abgebogen, ich habe heute keine Zeit, sonst wäre ich mitgegangen.
Zen. Vielleicht gibt es Leute, die in solch strengen Formen der Meditation ausbluten und immer weiter reingehen in die Isolation. Mir passiert das nicht. Ich pulsiere und greife nach der Materie, mehr als zuvor. Die Zeit ist nicht unendlich und jede Minute auf dem Kissen lässt mich Augen, Hände, Arme, die mich im Anschluss streifen, als Tore erkennen, durch die ich hindurch gehen will.
Am Samstag darauf treffe ich Kolleg*innen. Wir entwickeln körpertherapeutische Übungen und überprüfen sie auf ihre Wirkung. Es sind meist einfache Dinge, die wir versuchen, einfache Gesten, einfache Taten. Ausgreifen. Wegdrücken. Jemanden ablehnen, jemanden annehmen. Etwas wollen, etwas verabschieden. Eine Grenze klar machen. Realität testen. Verfügbare Mittel nutzen. Gefühle riskieren. Scham riskieren. Keine Angst mehr haben vor der eigenen Kraft. Groß sein, angewiesen sein.
Wir sind auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden.
Beim Tanzen neulich bin ich in den Altar gekracht. Direkt hinein, in Blumen, Teelichter, Buddha und den ganzen anderen Kram. Der Altar steht eigentlich immer in einer der Ecken beim Eingang und leuchtet von der Stelle als Lichtquelle und Haltepunkt in die Nacht. An dem besagten Abend stand der Schrein aber vor dem DJ Pult. Ich dachte mir schon beim Reinkommen, dass das keine gute Idee ist, hab den Gedanken aber schnell wieder vergessen, weil die Musik gut war und ich raumgreifender als sonst getanzt habe. Ich war etwas perplex nach dem Reinkrachen, hab ein paar der Kerzen wieder aufgestellt, mich abgetastet und dann weiter gemacht.
Im Nachhinein kam mir das symbolisch vor. Es ist jetzt vier Jahre her, dass ich in solider Outdoorkleidung auf einem soliden Berg saß und mich beim Betrachten eines gegenüberliegenden Bergmassivs nicht des Gefühls erwehren konnte, zu sicher zu sein. Mich zu sicher zu verhalten. Kontrolliert. Ich habe von diesem Moment ein Foto, das ein Freund machte, der schräg hinter mir stand auf dem Berg. Das Foto habe ich oft angeschaut und schließlich einen Satz darunter geschrieben, den Rilke oder Richard Rohr oder beide, ich weiß nicht mehr wo, gesagt haben:
Eins muss ich wieder können; fallen.
Ein Gestirn werden. 4,5 Milliarden Jahre brennen.