In einer anderen Stadt stehen Freunde von mir an einem Osterfeuer, halten ihre Anoraks zu und streichen sich die vom Wind bewegten Haare aus der Stirn und es ist mir wirklich egal, worüber wir sprechen, lachen oder schweigen, solange ich ein paar Mal im Jahr diese Menschen ansehen und mit ihnen um ein Feuer sein kann.

Longing send out to the world, like echolocation, is going to cause some kind of response. And the response that comes, of course, is not in a domestic shape at all. So what is your eccentricity and how is it calling out to wider things beyond your settlement? [Martin Shaw]

Später sitze ich mit einer Freundin an der warmen Hauswand und sie erzählt mir die Legende von dem Mädchen, das sich in einen Bären verliebt. Die oben stehenden Sätze zu Sehnsucht und das Echo, das unserer Sehnsucht antworten wird, werden mir tage- und wochenlang nachgehen. Das und die Tulpen, die hinter dem Kopf der Freundin leuchten, während sie spricht; große, auseinander klappende, rot, pink, lila, weiße Blüten. Wie Lampions rahmen sie die Legende und ihr Gesicht, wie ein Ikone gerahmt wird von der Welt.

Ein Kollege besucht mich, ich nehme frei und gehe mit ihm zum großen Moorsee, wo wir in das flache, kalte Wasser waten, schreiend ich, stoisch er. Dann trocknen wir auf dem sandigen harten Boden am Ufer, Streuselkuchen in seinem Mund und Zigarette in meiner Hand. Es liegt ein besonderer Zauber darin, unter den unvermittelt heißen Apriltemperaturen in der Einsamkeit des Moors zu verweilen; gelbe Schlüsselblumen decken die Ebene, das Geplauder des Kollegen wechselt sich ab mit der Ruhe zwischen uns, die satt und weit ist, weil wir uns gut kennen und wechselseitig durchschauen. Eine halbe Stunde döse ich. Als ich aufwache, bitte ich ihn um ehrliche Rückmeldung zu einem meiner Wesenszüge und er gibt mir eines der schonungslosesten Feedbacks, das ich je gehört habe.

In diesen Tagen liege ich oft in Parks, manchmal allein, manchmal mit anderen, nachmittags wenn die Sonne brennt und nachts, wenn gespeicherte Restwärme unsere Gespräche ummantelt. Eine der älteren, leidenschaftlichen Frauen, die ich beim Tanzen gelegentlich treffe, nimmt mich, als wir uns Samstag verabschieden, in den Arm und herzt mich minutenlang. Ihre Stirn an meiner Stirn, Küsse auf meinem Gesicht verteilend, Wange an Wange. Und ich finde es nicht nur nicht unangenehm, sondern gut und spüre nicht mehr, was mich früher immer hat fliehen lassen vor solchen Leuten und solchen Berührungen.

all the stuff that we said
all the stuff that we touched
all the stuff that we hold
now [Jehezkel Raz]

Bei einer Gartenparty mit Verwandten wickele ich die Tochter meines Bruders vor meinem Bauch in meine Jacke und erinnere mich, wie meine Tante mich ebenso in ihre Jacke gewickelt hat, im Mai vor sieben Jahren, als es auf der Beerdigung meiner Mutter plötzlich kalt wurde und ich zu dünn angezogen war in dem schwarzen Kleid. Dass der Austausch von Zuwendung immer weiter gehen kann durch die Zeit, die Jahrzehnte und die Städte, wenn ich ihn nicht willentlich stoppe.

Everthing god wants from you is you in your you-ness.
Your response, your way to feel, your struggle, your approach to things and people. [R.Rohr]

Die Mondsichel Anfang Mai ist perfekt abgezirkelt von dem sie umgebenden schwarzgrauen Vorhof. Die Abende sind lauwarm, selbst hier in Bergnähe weht nach Mitternacht ein milder grasiger Wind von den Feldern, in dem die Grillen zirpen. Ich nehme Teil an einem Frühlingsfest. Eine der Frauen hat drei Sträuße Flieder und Wisteria in Vasen in den Raum getragen. Die Fenster stehen offen, der Himmel dunkelt wie blaue Farbe in Wasser langsam nach. Ich bin so berauscht, dass ich mich auf den Boden lege und dort eine Stunde nichts tun kann als zu liegen, zu riechen und zu hören. Es werden Rituale vollzogen, ein paar Leute singen, ich lasse mich willig betäuben und betören.

you can take all the time you want to come into this body [Heather Christie]

Wenige Tage zuvor war eine Freundin damit rausgerückt, dass sie sich wieder das Leben hatte nehmen wollen. Sie wurde rechtzeitig gefunden, eingeliefert und einige Wochen behandelt. Ich höre ihrer Schilderung fast reglos zu und lediglich meine flache Atmung in den zwei Tagen danach klärt mich darüber auf, dass ich mich nicht daran gewöhnen werde, gleichgültig wie regelmäßig es bei ihr zu suizidalen Krisen kommt, und unabhängig davon, wie sehr ich versuche abzuschließen. Nicht mehr zu wollen, als da zu sein mit ihr, wenn ich es kann.

In der Institution stehen strukturelle Veränderungen an, die Situation ist angespannt, ich verbringe häufig Zeit in Meetings mit absurd detaillierten Inhalten, zu denen ich nichts beitragen kann. Meine wiederholten Hinweise darauf werden gehört, man versichert, mich dennoch dabei haben zu wollen. Ich glaube, es geht um Beistand. Anders kann ich mir das nicht erklären.

Zur Ablenkung und Stimmungsaufhellung hänge ich Kunstdrucke in meinem Büro auf, die umgehend als Gemeinschaft förderndes Moment in die Belegschaft hinein wirken, alle fünf Minuten bleibt jemand mit der Kaffeetasse in der Tür stehen und bittet um eine Führung durch die Galerie. Wir kommen wieder ins Gespräch, können ein bisschen lachen und leise fluchen.

Dann wird es ein paar Tage sehr dunkel in mir. Ich muss etwas verabschieden, das mir wichtig geworden ist, das ich unter keinen Umständen jetzt oder in naher Zukunft aus meinen Rippen schneiden will. Ich fahre weiter rein in die Berge, verbringe zwei Tage nahe am See und schaue zum Karwendel, dem alten Massiv.

By now I know you
I know how to trust

Ich öffne meine Hände. Langsam. Einen Finger nach dem anderen. Es dauert die ganze Nacht. Ich schlafe kaum und bin froh, als es um Fünf heller wird. In meinem Gedanken- und Gefühlsgewebe werden alle Fäden lose und fallen auseinander. Das ist kein Teppich mehr und kein Halt. Es muss auseinander fallen und ich muss fallen und ich falle nicht zum ersten Mal und ich falle nicht allein.

Yoda: Train yourself to let go of everything you fear to lose.

Sylvia Plath: Der Blutstrom ist ein Gedicht, stillen kann man ihn nicht.

Mary Oliver: Love for the earth and love for you are having such a long conversation in my heart.

Wie lange es mich beschäftigt, wenn jemand oder etwas schön ist; ein Verhalten, ein Stoff, ein Mundwinkel.

Richard Rohr: Filling the tragic gap with pure presence. Often in the presence of nothing. Or even death.

Mein schimmerndes schwarzes Herz.

Richard Rohr: If you keep showing up, the spirit will keep working.

Die Legendenfreundin: Das Leiden ist ohnehin da. Es ist das Erlauben, das den Unterschied macht.

Yoda: On many long journeys have I gone.
And waited, too, for others to return from journeys of their own.
Some return; some are broken; some come back so different only their names remain.

Zeig mir, wie es geht.

Mary Oliver: I tell you this to break your heart, by which I mean, that it breaks open and never close again to the rest of the world.

Ich habe dich geliebt, bevor du da warst. Ich habe die Idee geliebt, dass es so etwas wie dich geben könnte.