An drei bis vier Tagen im Jahr ist die Arbeit in der Institution schlimm. Immer im März, wenn das Budget auf hunderte bestehende und hunderte neu hinzugekommene Positionen verteilt werden muss und ich dafür nichts zur Verfügung habe, als veraltete Software, einen Taschenrechner und ausgedruckte Exceltabellen, die ich mit Tesafilm zu einem etwa 2 qm² großen Gesamteindruck zusammenklebe. In die Aufgabe wurde ich hineingetrickst. Von allen Beteiligten. Von dem Kollegen, der mich mit einer zuckersüßen Email angeworben hatte, von der direkten Vorgesetzten, die nicht wusste, um was genau es geht und von der indirekten Vorgesetzten, die beim Einstellungsgespräch von leicht zu verrichtenden Tätigkeiten in der Etatansetzung sprach. Nur mein Vorgänger war ehrlich und sagte bei seinem Abschied und nachdem ich unterschrieben hatte: Ich muss Sie warnen. Auch wenn Ihnen keine Fehler unterlaufen, wird das Programm Fehler melden. Wenn Sie dann nicht improvisieren, kann hier innerhalb von einer Woche niemand mehr handeln.
Was meinen Sie mit improvisieren, habe ich gefragt.
Tricksen, hat er gesagt.

Ich habe also in den letzten Tagen zuerst alles korrekt eingegeben und Dutzende Fehlermeldungen erhalten, darauf alles noch mal eingegeben, Geld erfunden, wo keines ist und Geld verschwinden lassen, wo es eigentlich existiert und mir handschriftlich vermerkt, was ich manipuliert habe. Das Programm ist darauf reingefallen. Es hat zwei Mal mit einem Fragezeichen reagiert und dann mit okay. Mittlerweile ist es Anfang April, der schlimme Teil des Jahres rum, die Kollegen schauen schuldbewusst und ehrerbietig zu mir auf, entrichten kleine Gefälligkeiten und versuchen mich weitere Jahre bei der Stange zu halten. Ich kann jetzt und die nächsten zwei Wochen stündlich mit Blattsalat angerichtete Sandwiches, für mich erledigte Post und auf kleinen Tabletts gereichten Kaffee einfordern, bevor mein Ruhm allmählich verblassen wird und ich für den Rest des Jahres zurücksinke in die Bedeutungslosigkeit, auf die ich mich ursprünglich beworben hatte.

Den anhaltenden Regen versuche ich mir mit dem dringend nötigen Steigen des Grundwasserpegels schönzureden, dem Lernen weiche ich aus, dafür sind jetzt zwei Bäume beschnitten, die Silikonfuge des Badewannenrands herausgekratzt, gesäubert und neu verfugt, der im Winter eingefrorene und abgebrochene Außenwasserhahn entfernt, Dichtungsband bestellt, ein Rucksack getestet und für untragbar befunden (und damit 11 Monate Rucksack-Recherche einen Schritt voran gebracht), die Kommode nach Feuchtigkeitsunfall abgeschliffen, geölt und aus Schafwolle Schlüsselanhänger für Zweit- und Drittschlüssel geflochten. Heute Morgen habe ich noch erwogen, aus Naturmaterialien Ostereierfarbe herzustellen, ehe ich einsah, dass ich irgendwann wieder lernen muss und mich nicht ewig in einem Fantasieheimwerkerleben verstecken kann, nur weil mich das nächste Kapitel inhaltlich nicht reizt.

Auf dem Weg zu Freunden, die an dem Abend Halloumiburger machen werden, höre ich Musik der frühen Nullerjahre und sitze zufrieden in Öffentlichen Verkehrsmitteln, in denen sich ausgehbereit angezogene Menschen mittels Lautstärke, Lachwilligkeit und über Sitze hinweggerufene Aufforderungen, mit ihrem Wochenendkörper vertraut machen.
Ich mag es, neue Freunde zu finden, zu begreifen, wie sie sind, was da los ist, in was sie sich reinschrauben, womit sie glänzen und auf welche Weise sie in sich hängen bleiben. Genauso bereichernd ist es, alte Freunde kennenzulernen. Noch mal von vorn zu ertasten, was das eigentlich für Wesen sind, wie sie reingespült wurden in diese Welt, worüber sie sich seit Jahrzehnten den Kopf zerbrechen und wie sie ihre Gefühle inkarnieren in Gegenstände, Handlungen, Wohnungen und Politik.

Auf Amazon ein Set Lebensmittelfarben bestellt. Sobald das Kapitel, das mich inhaltlich nicht reizt, absorbiert, verstanden und verwahrt ist, darf ich die Eier bemalen. Laut Wetterbericht wird es an Ostern 8 Grad und sonnig. Ich will das dieses Jahr so richtig prall durchziehen mit Nestern im Garten, Weidenkätzchen und den Schafen des Nachbarn, die hoffentlich im richtigen Moment vorübergehen.