Nach einer Woche Fieber stehe ich auf, wanke zur Musikanlage und tanze eine Stunde ins Abendlicht, in die Unerklärlichkeit, aus der alles kommt.

Die Forsythien blühen. Die Frau, die hier lebte, hat sehr unterschiedliche Sträucher und Büsche gepflanzt, von den Forsythien aber drei. Ich vermute, sie stand, wie ich jetzt im März am Fenster und sah zu, wie die Knospen stündlich springen, ein Zweig nach dem anderen.

Als Mitte der Woche das Thermometer über 39 Grad klettert und ich den vierten Tag am Stück keinen Hunger habe, kauft der Freund Vanillepudding und legt ihn mit einem kleinen Löffel neben meine Matratze. Es hilft. Der Vanillepudding führt mich zurück zu Toastbrot, das Toastbrot zu Reis, der Reis zu Spiegelei und dann bin ich über den Berg. Ich habe trotzdem drei Kilo abgenommen. Das hat mich ein bisschen erschreckt.

Unterdessen ist Sepp, ein alter Bekannter hier aus der Gegend, gestorben. Er hat als junger Mann in den 50‘er Jahren Baumstämme den Fluss runter geführt. Der Fluss war reissend, bei der Arbeit gab es häufig Verletzte und Tote. Das geschlagene Holz wurde aus dem Wald gezogen, an den Ufern zur Flößen zusammengebunden, die Flöße mit weiterem Holz beladen und dann Richtung Lenggries und München getrieben. Sepp hatte die seltene Gabe, einem lang in die Augen sehen zu können ohne Eile und scheinbar ohne Wertung. Ich weiß nicht, wie er sich diese Weichheit bewahren konnte, wo er doch in absolut unweichen Zeiten aufgewachsen ist. Er muss unfassbar Glück gehabt haben mit seinen wichtigsten Bezugspersonen. Oder eine unfassbare Reise durch sein Inneres und diese Welt gemacht haben. Er hat in den letzten Jahren oft in der Abendsonne am Haus gesessen.

Am Samstag liege ich mit Freunden im gelben Gras neben einem Wasserfall und trockne. Die Haare noch nass, der thrill des Reingleitens, Reinfallens, nicht kontrollieren zu können, wie schnell und haltlos man den glitschigen Steinrand hinunter ins Becken rutscht. Die Kälte ist schmerzhaft, zwingend, nach zehn Sekunden übernehmen die Reflexe und hieven einen wieder raus aus dem Wasser, es ist unerträglich und schön für diese kurze Spanne Zeit. Hypnotisiert am Rand sitzen und den anderen zusehen, wie sie zögern, den Halt verlieren, drinnen sind.

…eins muss ich wieder können: fallen.