In der ersten Nacht im Juli wird auf dem Hügel neben der Kapelle das Johannifeuer abgebrannt. In mehreren Arbeitseinsätzen haben die Vereine dafür Baumstämme herangebracht, von den Anhängern heruntergezogen und aufgerichtet. Am Tag zuvor liegt Unruhe in der Luft, das Zelt ist aufgestellt, die gute Strickjacke rausgelegt, im Dorf laufen die Leute auf und ab und warten auf dieses einmal jährliche Brennen, so heiß und hoch, dass die Wiese in einem Radius von fünf Metern mitbrennen wird. Eine halbe Stunde vor Einbruch der Dunkelheit gehe ich um den Hügel herum, die Kinder können nicht mehr anders, als die angesammelte Spannung mit besinnungslosem einander Fangen, Jagen und gellenden Schreien stoßweise zu entladen. Es ist wirklich kaum auszuhalten. Wann wird es endlich angezündet?

Als dann endlich die Dämmerung zur Dunkelheit wird, die Zweige knistern und das Feuer aufflammt ist es größer, stiller und schöner, als ich erhofft hatte. Es ist das erste Johannifeuer, an dem ich teilnehme und wer auch immer sich diesen Brauch ausgedacht hat, muss mich oder alle Menschen sehr geliebt haben. Der Funkenflug im Nachthimmel. Ist jedes Brandloch in der Kleidung wert.

In der Nacht wird es regnen. Konstant einregnen, stundenlang. Am Vormittag darauf beschließen wir auf den Unnütz zu gehen, ein Massiv eingebettet in Gipfel, die alle Unnütz heißen; Vorderunnütz, Hinterunnütz usw. Es nieselt bis in den Mittag hinein und verschafft uns die seltene Erfahrung, mehrere Stunden durch Nebel zu laufen, verschluckt zu werden von Schwaden, dem feuchtwarm sich unter unseren Füßen biegenden Farn. Einmal bleiben auf der Hochebene zwei Frauen und ich hinter den anderen zurück, heben die Hände in das, uns von allem trennende, Dickicht der Wassertröpfchen gesättigten Atmosphäre und es bleibt uns wirklich nichts übrig, als die Worte der drei Hexen aus Macbeth in diesen Nebel zu deklamieren. Und später noch die Worte der Lady in Vorbereitung auf die Bluttat.

When shall we three meet again?
In thunder, lightning or in rain?

Die Streuung des spärlichen Lichts und Auflösung des Übergangs von Nebel in Wolke, deren Unterschied ohnehin nur im Bodenkontakt und nicht in der Konsistenz liegt – es ist ein Ort des Spuks, der Passage und wirklich, erzählen wir uns hier, was man auf Gehwegen nicht sagen kann. Greifvögel fliegen nah über unseren Köpfen hinweg, aber keiner stößt einen Pfiff aus, sie liegen auf der Luft, kaum dass sie die Flügel bewegen. Zwei Schemen kommen uns entgegen und wir schauen lange zu den Umrissen und Nuancen von Grau, ehe wir darin Freunde erkennen, die voraus gegangen waren.

Unten angekommen verfestigen sich die Erscheinungen und teilen sich auf in Kälber, Hollerschorle und warme Holzbänke an einer warmen Stallwand. Kuchen essend lehnen und liegen wir ermattet in der Sonne. Die eben an die Tränke tretenden Kälber sind ungewöhnlich zutraulich, unverschreckt und zeigen eine entspannte Dynamik innerhalb der Herde. Die Almwirtin berichtet, die Tiere in den ersten Wochen tagsüber überwiegend im Stall gehalten und erst ab Einbruch der Dämmerung auf die Weide geführt zu haben, damit die junge Haut der Kälber nicht von Bremsen und Ungeziefer zerstochen wird und ihre Gesichter und Augenlider anschwellen. Nachts weiden sie ruhiger. Demnächst, wenn sie etwas robuster sind, wird der Weiderhythmus langsam umgestellt.

Schwarz glänzende Salamander zeigen sich zwischen dem Gras und lassen sich berühren. Ein korall farbener Schmetterling begleitet mich eine Weile auf dem Handrücken, während wir weiter abwärts steigen. Man muss es den Österreichern lassen, sie haben einfach die bessere Natur. Der Wechsel von den Kalkalpen zum Granitstein fühlt sich jedes Mal gleich sehr solide und weniger porös an, die Blumenvielfalt nimmt noch mal zu, die schiere Menge an Bergen, die höhere Höhe und damit die Kontraste.