Es ist nicht einfach, 120 tanzwillige Menschen vom Tanzen abzuhalten. Haben sie einmal bei Regen und Unwetter den Weg durch die halbe Stadt auf sich genommen, Eintritt gezahlt, das Handy ausgeschaltet, die Anoraks zusammen geknäult und den Rucksack in die Ecke gepfeffert, braucht es eigentlich nur einen durchschnittlich talentierten DJ und durchschnittlich gute Musik, um diese Menge für mehrere Stunden bei der Stange zu halten. Ich bin daher einigermaßen verwundert, als ich mich nach 45 Minuten, in denen ich aufrichtig versuche, die Musik in Bewegung umzusetzen, am Rand der Halle wiederfinde und tatsächlich nicht tanzen kann. Etlichen anderen scheint es ebenso zu gehen, ich sehe sie irritiert auf der Fläche stehen oder bereits kapitulierend an der Wand sitzen. Eigentlich ist es keine Wissenschaft. Wenn die Leute schreien, die Hände heben und der Boden zittert, sind alle an Bord. Verlassen sie die Tanzfläche oder wackeln nur noch mit dem Kopf, ist es Zeit, das Set zu überdenken, beziehungsweise es umgehend anzupassen. Jedenfalls wenn man als DJ keine internationale Größe ist.

Eine Weile hoffe ich noch auf Besserung, dann setze auch ich mich an die Wand und fange an, über fehlende Einstimmung nachzudenken, über aneinander vorbeilaufende Dialoge und zeitlich versetzte Anziehung. Der Abend geht dahin. Erst eine Stunde, dann eine zweite. Ich erinnere mich an Texte unterschiedlicher Autoren zu körperlichen Reaktionen, wenn Bedürfnisse fortwährend nicht befriedigt werden und beobachte diese Reaktionen live bei den immer angestrengter um Entladung bemühten Tanzenden.

Unterdessen ist mein Platz an der Wand etwas ungemütlich geworden, der DJ ist in eine Art Privatveranstaltung in seinem Kopf abgetaucht, er wippt mit geschlossenem Augen hinter dem Pult, auf der Tanzfläche befindet sich fast niemand mehr. Es ist das erste Mal, dass ich in dieser Halle nicht mehrere T-Shirts durchgeschwitzt habe und und gewissermaßen grundtrocken nach Hause komme.