Ich wünschte, ich wäre eine Person, die den Winter schätzt. Für seine Kontraste. Oder die Optik. Als Pausetaste zwischen zwei Sommern oder irgendeinen Gedanken, der mir plausibel darlegt, warum ich sie brauche, diese Jahreszeit. Und hört mir auf mit Dankbarkeit. Ich bin dankbar. Ich war dankbar, lange bevor es ein mindset wurde, das in Onlinekursen und auf Bali-Retreats für 5000 $ die Woche gedownloaded werden kann.

Sehr früh an diesem Morgen stehe ich im Schneeregen vor einem Gebäude, in dem ich seit einiger Zeit druckbetankt werde. Neurologische Auffälligkeiten, zerebrale Krampfanfälle, Intoxikationsdelir, degenerative Erscheinungen im fortgeschrittenen Stadium. Ich weiß, das ist der Deal. Wer mitspielen will muss da durch; den Korridor des medizinischen und pharmakologischen Terminologie-Pressings. Lernen, Schlafen, repeat. Ich versuche, meine Sinnlichkeit aufrechtzuerhalten, aber es gelingt mir nicht oft. Abends liege ich mit brennenden Augen im Dunkeln und will nichts mehr lesen, hören, sehen, wissen.

Auch auf die Gefahr hin, vollends zu verkitschen steigere ich in diesen Tagen noch einmal die Häufigkeit meiner Umarmungen, berühre Freunde, wenn ich sie denn irgendwo für 5 Minuten treffen kann, am Arm, an der Schulter, am Hals, einem von ihnen habe ich sogar ins Haar gefasst.

Our bodies and our hearts are given us only once.

Als ich am Abend aus der Stadt zurück komme, hat die Nachbarin etwas vor die Tür gestellt. Kleine Rosen aus ihrem Garten, konserviert vom Frost in Verknospung und Blüte. Ich sehe sie gehen, meine Nachbarin, durch die kalte Luft vor schwarzem Himmel, das Ikebana ihrer Schritte im Schnee, den Geruch von November an den Händen. Es liegt, ich gebe es zu, in dieser Handlung eine Anmut und Miniatur, die eingebettet in die winterliche Landschaft, zumindest optisch, doch einen Reiz hat.